Formelle Abend- und Tagesgarderobe
Wenn festlich nicht genug ist
Abendgarderobe wird heute nur noch sehr selten ausdrücklich verlangt. Und hoch festliche Tagesgarderobe sogar noch seltener. Und doch: Es gibt sie noch, die vereinzelten Events, in denen kleidungstechnisch jedes Detail genau abgestimmt sein muss, diktiert von alten, ungeschriebenen Regeln. Dabei ist selbst die alte klassische Garderobe nicht immer angemessen. Nicht nur, dass man selbst bei einem Frack oder Smoking immer noch etwas falsch machen kann. Nein, in Kreisen, die extrem auf Etikette achten, ist der falsche Anzug zum Anlass ein viel größerer Fauxpas. Und eine solche Verfehlung ist schnell begangen. Selbst dann, wenn man sich gründlich anhand von Handbüchern oder Webseiten fortgebildet hat.
Was trägt man zu einem Begräbnis? Richtig, schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte und weißem Hemd. Bei einem Staatsbegräbnis oder einer großen Trauerfeier in Adelskreisen kann das schon ganz anders aussehen. Da ist die erwartete Kleidung der Cut. Nun weiß man ja, wenn man sich für klassische Anzüge interessiert, dass zum Cutaway eine graue Weste getragen wird, abgerundet mit einem grauen Zylinder, wenn die Veranstaltung im Freien stattfindet (Waren Sie schon einmal so unterwegs? Ich gebe zu, ich nicht). Meist denkt man sogar noch daran, die obligatorische silbergraue Krawatte durch einen schwarzen Binder zu ersetzen. Und fällt immer noch auf. Denn der Kenner taucht auch die Weste gegen ein schwarzes Modell, ebenso den Zylinder.
Im englischsprachigen Ausland ist der Cutaway zudem auch bei Hochzeiten sehr verbreitet. Hier dann ganz klassisch mit grauer Weste und einer Blume, vorzugsweise einer weißen Nelke, im Knopfloch. Aber auch hier gibt es natürlich Fettnäpfchen, in die man mit Anlauf hinein springen kann. So spricht normalerweise nichts gegen einen anthrazitfarbenen oder marengograuen Cut. Und wirklich sieht man beides zum Beispiel beim berüchtigten Pferderennen von Ascot sehr häufig. Bei einer Hochzeit hingegen ist der graue Cutaway traditionell dem Bräutigam vorbehalten. Er ist auch der einzige, der, ohne gegen Konventionen zu verstoßen, den Hals mit einem Plastron schmücken darf. Als Gast bleiben Sie bei einer schlichten silbernen Krawatte.
Bei Staatsakten wird der Cut kaum noch gefordert. Bereits vor Jahrzehnten setzte sich statt dessen zumindest hierzulande der weniger förmliche Stresemann durch. Inzwischen tut es meist auch der schwarze Anzug. Und doch: es gibt eine Gelegenheit, zu der das Protokoll immer noch zwingend den Cutaway erfordert: Bei der Einführung eines neuen Botschafters kommen Sie um den Cutaway-Zwang nur herum, wenn Sie Reporter sind oder sich statt dessen in eine Nationaltracht hüllen.
Im Kaufhaus sehen Sie meist eine große Auswahl an weißen Fliegen aus Seide oder Kunstfaser. Wofür eigentlich? Denn das einzige Kleidungsstück, zu dem der weiße Querbinder klassischerweise passt, ist der Frack. Und den haben die meisten dieser Warenhäuser ohnehin nicht im Sortiment. Wer zum Smoking oder gar zum schwarzen Anzug mit diesem Accessoire auftaucht, wirkt stilistisch irgendwie daneben. Und wer gar eine weiße Fliege mit gleichfarbigem Kummerbund zum weißen Dinnerjacket kombiniert, wirkt einfach nur farblos.
Doch selbst Fräcke mit farbigem Kummerbund und passender bunter Fliege sollen schon gesichtet worden sein. Lassen Sie es. Dieser Look sah schon im 19. Jahrhundert nicht gut aus. Die besondere Wirkung von Abendgarderobe liegt in ihrem hohen Kontrast. Schwarz und weiß, andere Farben wirken zumindest gewöhnungsbedürftig. Eine schwarze Fliege geht nur in Ordnung, wenn Sie der Oberkellner sind. Beim Smoking haben Sie zwar inzwischen mehr Freiheiten, aber die klassische Variante sieht immer noch eleganter aus.
Eines haben allerdings Frack, Smoking und Dinnerjacket gemeinsam: sie sind Abendgarderobe. Und das heißt auch, sie werden nicht am Tage getragen. Ausnahmen gelten höchstens für spezielle Berufsgruppen, wie etwa Orchestermusiker oder Saaldiener.
Und doch: es gibt eine Gelegenheit, wo Sie auch nachmittags schon im Smoking auflaufen können, ohne einen totalen Fauxpas zu begehen: Schließt sich eine abendliche Feier an eine Hochzeit oder einen Empfang am Nachmittag an, ohne dass zwischendurch die Möglichkeit besteht, sich umzuziehen, dürfen Sie auch dort schon Abendgarderobe tragen.